Freitag, 9. September 2016

Logik ohne Wahrheit

Dies ist eine deutsche Übersetzung meines im Original englischen Blogposts von meinem Blog über Logik (und partielle Funktionen). Eigentlich sinnlos, war mein Ziel doch meine deutschen Texte ins Englische zu übersetzen. Aber der Titel hat mir so gut gefallen. Und es ist doch wirklich spannend, ob eine Logik ohne Wahrheit sinnvoll sein kann. Trotzdem sinnlos, insbesondere da alle Referenzen immer noch auf englische Texte verweisen (und dies unvermeidbar ist).


Pi ist verkehrt! Na und? Diese Überlegungen sind weder neu, noch kompliziert genug, um als echte Mathematik durchzugehen! Und die Kommentare, dass $2\pi i$ oder $\pi/2$ noch richtiger sein könnten, zeigen, dass es nicht mal eine ausgemachte Sache ist.

Vor Kurzem spendierte ich ein paar logischen Fragen genügend Kraft um greifbare Fortschritte zu machen. Als ich aber Freunden und anderen Logikern davon erzählte, wurde mir klar wie irrelevant all meine Ergebnisse und Folgerungen sein werden. Ich werde sie trotzdem in einer passenden Zeitschrift veröffentlich müssen, weil sie David Ellermans Arbeit über die Logik von Partitionen fortsetzen. Sie nicht zu veröffentlichen würde bedeuten, den Wert von David Ellermans Arbeit als unbedeutend abzutun. Dabei hat er wirklich viel Aufwand investiert, und glaubt an ihren Wert. Ich werde hier aber nicht über diese Ergebnisse schreiben, weil mir unklar ist, wie sich das auf meine Möglichkeiten diese Ergebnisse zu publizieren auswirken würde.

Lasst uns stattdessen ein wenig Spaß haben, extrem nah an der klassischen Logik bleiben, und trotzdem eine Logik ohne Wahrheit entdecken. Und Gerhard Gentzen soll mal wieder erwähnt werden.

Partielle Wahrheiten

Ich mag partielle Funktionen. Für eine partielle Funktion $p:X\to Y$ gilt
  • $p^{-1}(A\cap B)=p^{-1}(A)\cap p^{-1}(B)$
  • $p^{-1}(A\cup B)=p^{-1}(A)\cup p^{-1}(B)$
  • $p^{-1}(A {}\setminus{} B)=p^{-1}(A) {}\setminus{} p^{-1}(B)$
  • $p^{-1}(A \Delta B)=p^{-1}(A) \Delta p^{-1}(B)$ wobei $A \Delta B := (A {}\setminus{} B) \cup (B {}\setminus{} A)$
Aber $p^{-1}(Y)=X$ gilt nur, wenn $p$ eine totale Funktion ist. Insbesondere gilt $p^{-1}(A^c)=p^{-1}(A)^c$ nur (selbst für spezielle $A$), wenn $p$ total total ist. Denn sonst $p^{-1}(Y)=p^{-1}(A\cup A^c)=p^{-1}(A)\cup p^{-1}(A^c) \quad = \quad p^{-1}(A)\cup p^{-1}(A)^c=X$ Eine der Behauptungen soll auch bewiesen werden: $x {}\in{} p^{-1}(A {}\setminus{} B)  \Leftrightarrow p(x) {}\in{} A {}\setminus{} B \Leftrightarrow p(x) {}\in{} A \land  p(x) {}\notin{} B \Leftrightarrow x {}\in{} p^{-1}(A) {}\setminus{} p^{-1}(B)$

Beachte, dass $A {}\setminus{} B = A \triangle (A \cap B)$. Die Operationen, welche erhalten bleiben, sind "und" (Konjunktion), "oder" (Disjunktion), und "entweder-oder" (Kontravalenz) wenn sie aus einer logischen Perspektive interpretiert werden. Es wäre schön, wenn die Implikation ebenfalls erhalten bliebe. Dies erscheint jedoch hoffnungslos, da $A \to A$ stets wahr ist, und Wahrheit eben nicht erhalten bleibt. Wenigstens gilt $A \subseteq B \Rightarrow p^{-1}(A) \subseteq p^{-1}(B)$, d.h. zumindest die externe Implikation welche durch die Ordnung definiert wird bleibt erhalten. Es sollte also möglich sein, dies in eine Logik zu verwandeln, bei der interne Wahrheit nicht erhalten bleibt unter Kontext-Morphismen.

Gerhard Gentzens Sequenzenkalkül

Der Sequenzenkalkül ist ein Beweiskalkül mit signifikanten praktischen und theoretischen Vorteilen im Vergleich zu offensichtlicheren Beweiskalkül Systemen. Er verwendet Sequenzen $A_{1},\ldots,A_{r}\vdash B_{1},\ldots,B_{s}$. Die Ausdrücke $A_i$ (und $B_j$) können logische Formeln wie $S(x)=S(y) \to x = y$ (das 4-te Peano Axiom) sein. Sie können auch als Teilmengen einer Grundmenge $X$ interpretiert werden. Diese Interpretation ist ausreichend, um die Grundlagen des Sequenzenkalküls zu verstehen. Die Sequenz selbst wird dann als $[A_{1}]\cap\ldots\cap [A_{r}]\ \subseteq\ [B_{1}]\cup\ldots\cup [B_{s}]$ interpretiert.
Linke strukturelle Regeln Rechte strukturelle Regeln
$\begin{array}{c} \Gamma\vdash\Delta\\ \hline \Gamma,A\vdash\Delta \end{array}(WL)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash\Delta\\ \hline \Gamma\vdash A,\Delta \end{array}(WR)$
$\begin{array}{c} \Gamma,A,A\vdash\Delta\\ \hline \Gamma,A\vdash\Delta \end{array}(CL)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash A,A,\Delta\\ \hline \Gamma\vdash A,\Delta \end{array}(CR)$
$\begin{array}{c} \Gamma_{1},A,B,\Gamma_{2}\vdash\Delta\\ \hline \Gamma_{1},B,A,\Gamma_{2}\vdash\Delta \end{array}(PL)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash\Delta_{1},A,B,\Delta_{2}\\ \hline \Gamma\vdash\Delta_{1},B,A,\Delta_{2} \end{array}(PR)$
Hierbei steht $\Gamma,\Delta, ...$ für beliebige endliche Aneinanderkettungen von Aussagen. Die stukturellen Regeln sind wohl eher langweilig. Die folgenden globalen Regeln sind schon interessanter
Axiom Schnitt
$\begin{array}{c} \ \\ \hline A\vdash A \end{array}(I)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash\Delta,A\quad A,\Sigma\vdash\Pi\\ \hline \Gamma,\Sigma\vdash\Delta,\Pi \end{array}(Cut)$
Bis jetzt hat keine der Regeln irgendwelche logischen Konstanten oder Verknüpfungen verwendet. Sie können direkt für die Teilmengeninterpretation verifiziert werden. Die folgenden logischen Regeln können erst verifiziert werden, nachdem die (intendierte) Interpretation der logischen Verknüpfungen festgelegt worden ist.
Linke logische Regeln Rechte logische Regeln
$\begin{array}{c} \Gamma,A,B\vdash\Delta\\ \hline \Gamma,A\land B\vdash\Delta \end{array}(\land L)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash A,B,\Delta\\ \hline \Gamma\vdash A\lor B,\Delta \end{array}(\lor R)$
$\begin{array}{c} \ \\ \hline \bot\vdash\Delta \end{array}(\bot L)$ $\begin{array}{c} \ \\ \hline \Gamma\vdash\top \end{array}(\top R)$
$\begin{array}{c} \Gamma,A\vdash\Delta\quad\Sigma,B\vdash\Pi\\ \hline \Gamma,\Sigma,A\lor B\vdash\Delta,\Pi \end{array}(\lor L)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash A,\Delta\quad \Sigma\vdash B,\Pi\\ \hline \Gamma,\Sigma\vdash A\land B,\Delta,\Pi \end{array}(\land R)$
$\begin{array}{c} \Gamma\vdash A,\Delta\quad\Sigma,B\vdash\Pi\\ \hline \Gamma,\Sigma,A\to B\vdash\Delta,\Pi \end{array}(\to L)$ $\begin{array}{c} \Gamma,A\vdash B,\Delta\\ \hline \Gamma\vdash A\to B,\Delta \end{array}(\to R)$
Eine mögliche Interpretation dieser Verknüpfungen in Bezug auf Teilmengen wäre $[\bot]:=\emptyset$, $[\top]:=X$, $[A\land B]:=[A]\cap [B]$, $[A\lor B]:=[A]\cup [B]$, und $[A\to B]:=[A]^c\cup [B]$.

Es könnte lehrreich sein, auch eine Interpretation zu sehen, bei der eine der klassischen logischen Regeln verletzt wird. Deshalb lasst uns stattdessen $[A\to B]:=\mathrm{int}([A]^c\cup [B])$ verwenden. Hier ist $\mathrm{int}$ der Operator, welcher jeder Teilmenge ihr Inneres zuordnet. Die Aussagen $A_i$ (und $B_j$) stehen in diesem Falle für offene Teilmengen. Die Regel $\begin{array}{c} \Gamma,A\vdash B,\Delta\\ \hline \Gamma\vdash A\to B,\Delta \end{array}(\to R)$ wird jetzt verletzt, und muss durch die Regel $\begin{array}{c} \Gamma,A\vdash B\\ \hline \Gamma\vdash A\to B \end{array}(\to R_J)$ ersetzt werden. Dies ergibt den intuitionistischen Sequenzenkalkül, der genau die zulässigen Schlussfolgerungen der intuitionistischen Logik charakterisiert.

Um zu sehen, dass  $(\to R)$ verletzt wird, sei $\Gamma=\top$, entspreche $A$ als $[A]=(0,\infty)$ gewählt, $B=\bot$, und $\Delta = A$. Oberhalb der Linie steht nun $\mathbb R \cap (0,\infty) \subseteq \emptyset \cup (0,\infty)$, es ist also wahr. Unterhalb der Linie steht $\mathbb R \subseteq \mathrm{int}((-\infty,0])\cup (0,\infty)$, und das ist eben falsch.

Ein unheimlicher Doppelgänger des Sequenzenkalküls

Beachte, dass die Implikation $C\land A \vdash B \Leftrightarrow C \vdash (A\to B)$ erfüllt, bzw. vielmehr $[C]\cap [A] \subseteq [B] \Leftrightarrow [C] \subseteq [A\to B]$. Jetzt ersetzen wir die Implikation durch die Minusoperation. Beachte, dass die Minusoperation $[A] \subseteq [B]\cup [C] \Leftrightarrow [A-B] \subseteq [C]$ with $[A-B]:=[A]{}\setminus{}[B]$ erfüllt. Wir erhalten somit die beiden folgenden Regeln anstelle von $(\to L)$ und $(\to R)$.
$\begin{array}{c} \Gamma,A\vdash B,\Delta\\ \hline \Gamma,A- B\vdash \Delta \end{array}(- L)$ $\begin{array}{c} \Gamma\vdash A,\Delta\quad\Sigma,B\vdash \Pi\\ \hline \Gamma,\Sigma\vdash A-B,\Delta,\Pi \end{array}(- R)$
Natürlich müssen wir auch $\to$ und $\top$ aus der Sprache entfernen, zusammen mit der Regel $(\top R)$. Dieser Sequenzenkalkül ist immer noch so korrekt und vollständig wie der originale Sequenzenkalkül. Aber wir können nicht mehr über Implikationen sprechen, nur noch über die Minusoperation. Eine gewisse Form der Implikation ist noch in $\vdash$ präsent, aber es wird nicht mehr in der internen Sprache der Logik selbst reflektiert. Dies ist also unsere Logik ohne Wahrheit.

Ich weiß (oder verstehe) nicht, ob diese Art von Kontext-Morphismus irgendwann relevant ist, und ob eine solche Logik ohne Wahrheit irgendwo in der echten Welt vorkommt. Hat das irgendetwas mit der Tatsache zu tun, dass es einfacher ist die Relevanz oder Wahrheit einer gegebenen Schlussfolgerung zu verwerfen, als zu beweisen, dass sie wichtig und wahr ist? Was mir an dieser Logik gefällt, ist ihre Asymmetrie zwischen der Implikation und der Falschheit. Ich wollte natürlich vorkommende Asymmetrien in mathematischen Hierarchien und der Logik finden. Selbst für die Ergebnisse, die ich veröffentlichen will, have ich das selbe Problem: Ich verstehe nicht wirklich die Relevanz der zugehörigen Kontext-Morphismen, noch nicht mals ob es überhaupt Kontext Morphismen geben sollte, und ob meine vergeschlagenen Kontext-Morphismen die richtigen sind.

Schlussfolgerungen?

Dieser Blogpost enthielt ursprünglich auch eine Logik ohne Falschheit, bzw. eine Logik wo Falschheit (und Negation) nicht verwendet werden. Es wurde aber länger und länger, und dieser Blogpost ist ohnehin schon lang genug. Vielleicht war dies keine so tolle Idee, da die Erklärung des Sequenzenkalküls auch dazu da war, besser verstehen zu können wie so eine Logik mit einer reduzierten Menge an logischen Konstanten und Verknüpfungen trotzdem seine Haupteigenschaften beibehält. Vielleicht schaffe ich es, aus dem entfernten Material eine anderen Blogpost zu erzeugen. Vielleicht ist es aber ohnehin niemandem (mich selbst eingeschlossen) wichtig, wie bereits zu Anfang angedeutet. Vielleicht sollte ich auch meine Zeit besser nutzen, um den Artikel über meine Ergebnisse (von denen auch zu Anfang erzählt habe) zu vollenden, und ihn dann ... einzureichen ...

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